freitag, 14. dezember 2007
ich verliess das institut realtiv frueh. es war annas letzter arbeittag gewesen und auch claudias, tabbis mitpraktikantin in der programmabteilung. anna hatte ich gar nicht gesehen, sie kam erst nachdem ich schon verschwunden war und claudias abschiedsmedialunas hatte ich leider auch verpasst. ich verabschiedete mich von meinem chef, der am selben tag noch nach deutschland reisen sollte und den ich somit nicht wiedersehen wuerde. vorher bekam ich noch von marisa ihre praktikumseinschaetzung plus ein kleines geschenk als dankechoen ueberreicht. sie bedankte sich noch einmal tausendfach, dass ich bei ihr im unterricht gewesen war. ich war sehr geruehrt. danach dueste ich zum retiro, wo guido schon auf mich wartete und wir kauften unsere bustickets fuer den beginn der grossen reise. ich wuerde am 27. frueh um halb eins nach cordoba fahren und von dort in der nacht vom 1. zum 2. januar nach salta, wo guido von buenos aires etwas spaeter als ich ankommen wuerde, damit wir uns dort treffen. nach diesem einkauf gingen wir noch kurz im havana kaffee trinken, dann verabschiedeten wir uns und ich nahm den bondi um zu malena zu fahren.
villabesuch. eigentlich spielten an diesem abend bajo fondo im gran rex auf der corrientes und ich hatte mich schon seit ewigkeiten darauf vorbereitet und gefreut. so bald ich herausgefunden hatte, dass sie spielen wuerden, war mir klar, dass ich wie auch immer dahin gehen muesste nachdem ich unser bajo fondo konzert in leipzig schon verpasst hatte. rodrigo hatte schon vor einigen monaten versucht die managerin zu kontaktieren, damit ich freikarten bekaeme, aber sie hatte sich leider nicht zurueck gemeldet. ich wollte dennoch hin, auch wenn ich vierzig pesos bezahlen musste und danach nicht anschliessend mit santolalla essen gehen wuerde. leider fand sich dann kurzfristig niemand mehr, dr mit mir dahin gehen wollte. ich fragte quasi das ganze institut. xime hatte den geburtstag ihres vaters, nike besuch aus deutschland, tabbi keine lust, anna ebenfalls besuch, aber aus paraguay, guido eine geburtstagsparty, leo seine abschiedsparty, kathi wurde kurzfristig krank und ruthi hatte auch keine lust. eigentlich dachte ich bis donnerstag nachmittag noch, dass ich hingehen wuerde, aber dann entschied ich mich aus einem grund doch nicht hinzugehen: malena, die regisseurin des films "agujeros en el techo", hatte mich eingeladen, mit ihr die die villa 20, das armutsviertel im stadtteil villa lugano zu fahren, weil sie dort ihren film fuer die bewohner der villa zeigen wollten. fuer mich eine einmalige gelegenheit. mir war bereits vorher klar, dass dies eine sehr eindrucksvolle, die wahrscheinlich wichtigste erfahrung sein wuerde, die ich in meiner zeit hier haben wuerde.
ich traf malena vor ihrem haus. ich war etwas zu spaet und sie war noch kurz auf die suche einer tageszeitung gegangen, in der am heutigen tag ein artikel ueber den film und die villa erschienen war. sie war sehr begeistert und wollte die zeitung natuerlich mit in die villa nehmen. bis dato hatte ich ja nur einen sehr kleinen teil des films gesehen, der mich aber sehr beruehrt hatte und ich war auch deswegen sehr gespannt, vor allem aber wegen der erfahrung ein gebiet zu betreten, dass man als normalsterblicher sonst nicht ohne verluste ueberleben wuerde, sollte man den medien glauben. wir fuhren also mit dem bus in richtung lugano. wir stiegen an der der escuela de policia ramon falcon aus. dort standen ein paar schick gekleidete kadetten, die auf ihren bus ins wochenende warteten. gegenueber dieser miliarakademie lief eine eisenbahnstrecke entlang und ueber diese fuehrte eine vergitterte bruecke. eine bruecke in eine andere welt, die auf keinem stadtplan der stadt verzeichnet ist. ein weisses loch, das eigentlich gar nicht existiert. vor der bruecke warteten gisela und ana auf uns, zwei der protagonistinnen. nachdem man einmal versuchte hatte malena zu ueberfallen, wird sie immer abgeholt und zurueckgebracht, denn somit wissen die bewohnern, dass sie zu jemandem gehoert und lassen sie in ruhe. gisela ist neunzehn, eine huebsche und sehr stolze junge frau, die gerade die sekundarschule beendet hat, etwas was hier selten passiert, weil die maedchen normalerweise mit fuenfzehn oder sechszehn das erste kind bekommen. sie moechte gerne jura studieren, aber niemand weiss, ob sie das machen wird. sie muesste natuerlich nebenbei arbeiten und wenn man aus einem solchen umfeld kommt, ist es auch nicht sehr weit her mit der unterstuetzung. sie ist auf jeden fall die positivste und ueberraschende figur des films. ana ist ihre mutter, malena hat in ihrem haus gewohnt. sie hat quasi vier jahre mit dieser familie gewohnt, da sie jeden tag dort war, blieb sie meist zum schlafen und somit wohnte sie im prinzip dort. jetzt kommt sie nicht mehr so oft, die frauen sind traurig darueber, sie gehoert zur familie. das merkt man sofort. wir liefen ueber die gitterbruecke und sobald wir die andere seite betreten hatten, war klar, dass dies etwas vollkommen anderes war. eine andere welt. von dem was ich sah, war ich ehrlich gesagt nicht so erschuettert. ich hatte das schon viele male in fotos und filmen gesehen, aber da zu sein, das war etwas vollkommen anderes. es zu fuehlen. das haute mich sofort um, als wir die ersten meter auf dem unasphaltierten dreckigen bogen gingen. die beiden frauen redeten ununterbrochen mit malena, erzaehlten ihr neuigkeiten aus ihrem leben. ana erzaehlte von ihrer neuen alten arbeit, sie arbeite wieder bei den zigeunern, wo sie vorher schon geputzt, waesche gewaschen, das haus in ordnung gebracht hatte. die menschen auf der strasse gruessten sie alle, auch malena sagte einigen leute hallo und je naeher wir dem comedor, der asamblea, kamen, wo der film gezeigt wurde, desto mehr wurden auch wangen gekuesst und kuerzer geredet. ueber das ich sah muss ich wie gesagt nicht viel erzaehlen, man hat es schon zur genuege gesehen, gehoert, gelesen. viele kleine kinder und hunde auf der strasse, gestank, muell, dreck. grosse dunkle kinderaugen die einen von unten ansahen, lachende gesichter. vom ersten augenblick an wurde ich aber bis auf blicke weitgehend ignoriert. niemand fragte, niemand sprach mich an, niemand warf mir anzuegliche oder boese woerter hinterher. nur die kinder und einige andere menschen sahen kurz auf, wenn wir vorbei liefen. malenas villafamilie sah mich nicht einmal an. ihnen war klar, dass ich ein eindringling war, jemand der mal sehen will, wie sie hier leben. sicherlich haben sie oefter solchen besuch und ihr stolz verbietet es ihnen, mit diesen menschen umzugehen. sie sind keine tiere, die villa ist kein zoo, ein touristenort, an dem man mal armut life sehen kann. wir kamen also zur asamblea, dem versammlungsort der kleinen villa, wo auch der comedor stattfindet, d.h. das abends immer fuer alle, die kommen wollen, gekocht wird. dort sassen bereits einige frauen mit ihren kindern und warteten. isabel, annas schwester, ebenfalls protagonistin des films war auch da, ebenso weitere gesichter des films, aber ich hatte dann schon den ueberblick verloren. es war ein dreckiger raum, an der tuer stand ein schild, dass hier pizza verkauft werde, weiter hinten standen provisorisch zusammengezimmerte tische an der wand, ebenso provisorische baenke hatte man vor den kleinen, aber sehr neu wirkenden fernseher und das dvdgeraet gestellt, dort sassen die frauen und warteten. es waren auch noch zwei sozialarbeiterinnen dort, die in der villa arbeiten. zuerst wurden andere organisatorische dinge besprochen. es ging um eine marcha, eine demonstration, die man machen wollte, um die grossen supermarktketten um eine weihnachtsspende zu bitten. wer kommt mit? wie viele frauen sollten es sein? wer ist verantwortlich? das alles wurde geklaert. es war zu sehen, dass gisela sich sehr fuer diese themen einsetzte, sie nahm oefter das wort an sich. danach wurde der film kurz angekuendigt und dann ging es los. auf einer unbequemen holzbank, die eigentlich nur eine holzlatte ueber irgendetwas war, sitzend, hatte ich zwei filme auf einmal zu sehen: den dokumentarfilm auf dem kleinen fernsehbildschirm und das, was um mich herum passierte. gleich zu anfang sass ein kleines maedchen mit seiner kleinen schwester neben mir, die mich mit grossen dunklen augen anstarrte und mit ihren kleinen haenden meinen arm drueckte. es waren einige frauen dort. selbstverstaendlich alle sehr dunkelhaeutig, manchen sah man auch an, dass sie nicht von hier, sondern aus bolivien oder paraguay waren. es war waehrend des ganzen films sehr laut. die kinder rannnten herum, fielen hin, schrieen, stritten sich, lachten laut, rannten raus und kamen wieder herein. insgesamt sind vielleicht zwei vier frauen dageblieben und haben den film bis zu ende gesehen, ausgenommen die sozialarbeiterinnen, malena und ich. selbst gisela ging immer mal wieder raus. ueber den film an sich will ich nicht viel mehr sagen, ich hoffe ohnehin, dass einige von denen, die dies hier lesen, ihn eines tages in deutschland werden sehen koennen. zwischendurch tranken wir kalten mate. als der film zu ende war, stand bereits eine schlange vor allem aus kindern mit loeffeln in der hand vor der tuer und wartete auf das essen des comedors. es wurde nur noch kurz gesagt, dass man auch gerne seine meinung zum film mitteilen koenne, aber nur eine frau machte davon gebrauch und sagte zu malena, dass ihr der film sehr gefallen habe und sie ihn gerne weiteren menschen zeigen wollen wuerde. eine der sozialarbeiterinnen fuegte hinzu, dass sie von anderen frauen gehoert habe, der film habe sie sehr beruehrt, weil er auch ueber ihr leben spricht und eine andere realitaet zeigt, als dass was die medien propagieren und die menschen ausserhalb der villa ueber diese dank der medien denken. der film war naemlich vorher schon innerhalb der villa kursiert, dies sollte nur die offiziele vorfuehrung sein. nach der vorfuehrung wurde der comedor vorbereitet, d.h. draussen in dem kleinen hof wurde schon feuer gemacht, denn gas gibt es hier nicht und tische und baenke wurden wieder aufgestellt. malena ging mit mir auf das dach, ich kannte es bereits aus den bildern des films, man konnte ein wenig ueber die daecher der villa sehen. sie zeigte mit auch noch die kueche, heute sollte es wohl tortelini geben. dann gingen wir, damit die kinder essen konnten. gisela blieb noch und half vorzubereiten. wir gingen zu ana, die gerade noch unter der dusche stand. wir tranken dann einige mate mit ihr. sassen an dem kleinen ebenso provisorischen tisch, auf dem erdenen fussboden lief ein hund und eine katze mit ihren kleinen kaetzchen herum. in der ecke stand ein mickriger kleine plasteweihnachtsbaum, anna beschwerte sich, er waere noch nicht geschmueckt genug. sie versuchte malena zu ueberreden, sie solle doch weihnachten mit ihnen verbringen, aber malena meinte, dass wuerden ihre eltern nicht zulassen, aber sie werde versuchen silvester da zu sein. sie sprachen auch ueber weihnachtsgeschenke. ana sagte, was sich der kleine wuensche, aber da sie gerade erst angefangen hat zu arbeiten, koenne sie ihm das nicht kaufen. ausserdem haben alle kinder das schuljahr bestanden, sie war sehr stolz darauf. als malena einen kurzen moment nach draussen ging, sprach ana auch mit mir. sie meinte, man gewoehne sich schon an das hier. malena habe es ja auch und anfangs dachte sie, malena wuerde sich nie anpassen. ausserdem sagte sie mir, ich solle mal an einem wochenende kommen, da ist immer markt und sie erzaehlte lachend, wie das war als malena sich einmal eingebildet habe, sie muesse beim markt filmen. dann verabschiedeten wir uns von ana, die mir noch sagte, ich solle doch wiederkommen, und gisela begleitete uns in der untergehenden sonne, wobei wir erst einmal bei einem spielsalon vorbeigehen mussten, weil wir ihren bruder suchen mussten, damit dieser nach hause ging. da er nicht dort war, gingen wir noch wo anders hin und gisela liess ihrem bruder ausrichten, er solle nach hause gehen. dann begleitete sie uns zusammen mit ihrem chico (anscheinend jedenfalls war das ihr chico) zur bushaltestelle. vorbei an einigen erleuchteten haeusern, vor denen maenner auf der strasse sassen und bier tranken, restaurants - wenn man das so nennen kann - und kiosken. da bei allen haeusern die tueren offen waren, bekam ich einen kleinen einblick in dieser haeuser und war manchmal ueberrascht, dass es doch ganz schick in diesen aussehen konnte. die villa ist eben eine mikrogesellschaft, auch hier gibt es klassen, es gibt arme und reiche, maechtige und machtlose. der maechstigste ist immer der villavorsitzende, der chef sozusagen, dass hatte mir malena erzaehlt. er ist es auch, der die foerderung vom staat bekommt und entscheidet, wo das geld hinfliesst. er ist aber auch der, der die drogen und die kriminalitaet in der hand hat, der bestimmt, wer wann ausgeraubt wird und wer nicht. ich sah sogar richtig schicke autos, ein schicker volkswagen fuhr beispielsweise an uns vorbei. auf der anderen seite der bruecke angelangt wurde mir klar, dass der ausflug in eine andere welt nun vorbei war. es hatte etwas in mir veraendert. ich war sehr aufgewuehlt und andererseits aber auch sehr froh darueber, diese moeglichkeit bekommen zu haben. als der bus kam, verabschiedeten wir uns von gisela und dem chico. wir fuhren zurueck zu malena.
der rest des abends. wir fuhren zuerst zu malena, sie hatte eine sehr suesse kleine wohnung in constitucion, sehr gemuetlich eingerichtet mit grossen fenster und einer katze. malena zog sich um, nahm einen wein mit und dann kauften wir nebenan eine docena empanadas (calabrese, mozzarrella und kaese, kaese und zwiebel unnd natuerlich fleisch) und liefen zu kathi, die heute ihre schriftliche spanischpruefung gehabt hatte und der es endlich etwas besser ging, nachdem sie zwei tage zuhause geblieben war. dort assen malena und ich empanadas und tranken den wein, fuer kathi war beides verboten. wir quatschten und langsam kam auch der rest der weg hinzu. sarela ass auch mit und trank auch einen wein, nati wurde dann abgeholt und christina kam mit uns mit. wir gingen zwei cuadras weiter zu jan, dessen mitbewohner alexis geburtstag feierte. die arme malena, fast nur deutsche. aber dort war es kalt, denn die party auf der terrasse und es war an diesem abend sehr windig. ausserdem hatten wir vergessen bier mitzubringen. also verschwanden wir schon nach einer halben stunde wieder. kathi und christian gingen nach hause, wir brachten sie bis zur tuer und dann waren malena und ich etwas ratlos, was wir mit dem rest des abends anfangen sollten. gluecklicherweise kennt und liebt malena san telmo, weil sie um die ecke wohnt, so dass wir erst mal in einem milongaschuppen vorbei sahen, ich aber bekam panik und wollte auf keinen fall in die peinlich situation versetzt werden, von jemandem zum tango tanzen aufgefordert zu werden. also beschlossen wir das zu verschieben und landeten in einer bar neben mitos argentinos an der plaza dorrego, die einem freund von malena gehoerte, der aber erst noch nicht da war. dort setzten wir uns an die bar, wimmelten jemanden ab, der uns auf bier einladen wollte und bestellten cuba libre. wir quatschten sehr lange. spaeter kam noch ein anderer freund von malena, in begleitung eines italienischen fotografenfreundes (alle dort waren - wie malena ja auch - fotografen), der die reise von iquitos nach manaus im boot gemacht hatte, was ich ja gerne machen moechte und der mir davon erzaehlte. der chef erschien spaeter auch noch. und nike, deren deutscher besuch sich auf grund von jet lag ins bett verkrochen hatte. mit nike und malena zogen wir dann noch los auf der suche nach einer party, aber die einzige, von der wir gehoert haben, sah schon von aussen aus wie ein kindergeburtstag, was das alter der besucher betraf. also ging malena nach hause und ich lief mit nike noch ein stueck mit, um mir auf dem weg ein taxi zu suchen, aber dann landeten wir noch bei der abschiedsparty von leo und den franzosen, wo wir auf jan trafen. ich aber blieb nicht lange, sondern fuhr bald nach hause.